Liebe Mitbügerinnen und Mitbürger!

Ich habe Angst vor den sich anbahnenden Entwicklungen in unserem Land. Wir steuern auf ein Staatsversagen zu. Die aktuelle Kriegsbeteiligung gegen Russland führt zu massiven Einschnitten in den Sozialstaat und zu einem Niedergang eines Teils der Wirtschaft. Die Bevölkerung, die nach der Corona-Krise tief gespalten ist, hat in großen Teilen Existenzangst. Außerdem ist sie überfordert von immer komplizierteren und mit immensen Kosten verbundenen Gesetzen, mit denen die Bundesregierung versucht, den Krisen zu begegnen. Das alles macht viele Leute aggressiv. Spätestens mit den Bauernprotesten ist eine Welle entstanden, die das etablierte Parteiensystem wegzuspülen droht, da man von den offensichtlich austauschbaren Politikern, die meist keine Fachkompetenz für die Bereiche haben, für die sie verantwortlich sind, die Nase voll hat.
Die AfD versucht, die Gunst der Stunde zu nutzen und die Welle in die von ihr gewollte Richtung zu lenken. Damit ist sie bisher sehr erfolgreich.

Die Linke wird inzwischen als Teil der etablierten Parteien angesehen, man hört uns nicht mehr zu und glaubt uns nicht. Das Abschneiden von Ralf Kalich bei den Landratswahlen mit fast 40% weniger Stimmen, als sie der AfD-Kandidat hatte, ist für mich ein heftiger Warnschuss kurz vor den Europa-, Kommunal- und Landtagswahlen! Es lag nicht an Ralf. Er machte einen tollen Wahlkampf und war der erfahrenste Kandidat. Als ehemaliger Bürgermeister und als langjähriger Landtagsabgeordneter hat er für das Amt des Landrates die meisten Kompetenzen angesammelt. Als nebenberuflicher Gastwirt hat er sich auch immer die nötige Volksnähe bewahrt. Trotzdem landete er bei weniger als 7%.
Vor diesem Hintergrund besteht die große Gefahr, daß die AfD bei den anstehenden Wahlen in Thüringen so stark wird, dass sie dieses Land in ihrem Interesse umgestalten kann. Allein mehr als ein Drittel bei den Landtagswahlen zu erreichen, wie es die Umfragen seit längerem zeigen, bedeutet, daß es ohne AfD-Zustimmung zum Beispiel keine Verfassungsänderungen gibt, kein Präsident des Verfassungsgerichts oder des Rechnungshofes gewählt werden kann. Eine Regierung mit AfD-Beteiligung will ich mir erst garnicht vorstellen. Wenn die Arbeitslosigkeit bis zu den Landtagswahlen noch steigt, weil energieintensive Unternehmen und die Automobilindustrie zunehmend Probleme bekommen, kann das jedoch ein realistisches Szenario werden!

Nun stellte sich mir die Frage, wo mein Platz in dieser Situation ist. Inzwischen ist mir klar geworden, dass mein aktueller Frieden nur vorübergehend sein wird, wenn die AfD nicht gebremst wird. Nach meinem Ausscheiden aus dem Landtag regelmäßig von Verbänden wie dem Bauernverband oder Waldbesitzerverband nach meiner Meinung gefragt und um Unterstützung gebeten. Der BUND bat mich, für den Landesvorstand zu kandidieren. Außerhalb der Partei scheine ich also durchaus noch ein Ansehen zu haben, dass helfen könnte, auf das aktuelle Geschehen Einfluss zu nehmen.

Seit der Ankündigung der Gründung von BSW wurde ich von vielen Menschen gefragt, ob ich mich nicht dort engagieren möchte. Es waren Leute mit unterschiedlichen Parteibüchern und auch welche, die noch nie in einer Partei waren. Jedesmal schwang die Hoffnung mit, mit BSW ein wählbares Angebot für unsere ländliche Region zu erhalten, weil man sonst keine Alternative sieht. Ich habe das immer verneint, weil ich die bekannten VertreterInnen von BSW eher im großstädtischen Milieu verortet sah.

In einem langen Gespräch mit Katja Wolf wurde mir klar, dass meine Hilfe gebraucht wird, damit BSW auch auf dem Land den Sieg der AfD verhindern kann. Deshalb habe ich mich entschieden, den schmerzhaften Schritt zu gehen, die Linke, in der mich in den letzten Jahren vor allem viele Freunde gehalten haben, nach rund 34 Jahren zu verlassen. Ich wünsche mir trotzdem, dass Freundschaften bestehen bleiben und bin auch bereit, mit meinem Rat, wenn er gefragt werden sollte, zur Verfügung zu stehen. Wenn BSW und Linke sich als Konkurrenten gegenseitig bekriegen, ist die gemeinsame Mühe, das Land vor einem Abgleiten in eine neue, braune, düstere Zeit zu bewahren, vergeblich.